Die Gesellschaft im Blick
Tina Ehrke-Rabel, Professorin für Finanzrecht, forscht interdisziplinär vernetzt zum Einsatz digitaler Anwendungen.
11.05.2022
„Regulierung ist smart, wenn eine Toolbox verschiedener Instrumente zum Einsatz kommt“, ist Tina Ehrke-Rabel überzeugt. Die Leiterin des Instituts für Finanzrecht der Universität Graz erforscht die Anwendung digitaler Tools aus finanzrechtlicher Sicht.
Im Zuge verschiedener interdisziplinärer Forschungsprojekte, beispielsweise zu Kryptowährungen, Cybercrime oder Blockchain-Anwendungen, erarbeitet die Expertin für Steuerrecht konkrete Lösungen für Fragen der rechtlichen Umsetzbarkeit.
Interdisziplinarität als Kernelement
Wie können in einer stark differenzierten Gesellschaft effizient Steuern erhoben werden? Welches Maß an (digitaler) Überwachung ist legitim? Und wo müssen Grenzen gesetzt werden, um die Grundwerte unserer demokratischen Gesellschaft zu schützen? – Die Möglichkeiten der Digitalisierung sind zwiespältig. Tina Ehrke-Rabel, Smart Regulation-Mitglied der ersten Stunde, setzt sich daher intensiv mit Forschungsansätzen anderer Disziplinen auseinander. „Forschungen zum Steuerrecht müssen notgedrungen interdisziplinär ausgerichtet sein“, so die Uni Graz-Professorin. Vor dem Hintergrund finanzwissenschaftlicher Theorien hätten Rechtswissenschafter*innen die Aufgabe, gesellschaftliche Rahmenbedingungen und verhaltensökonomische Überlegungen im Blick zu behalten.
Cybersecurity im Finanzsektor
Das EU-Projekt SOTER (cyberSecurity Optimization and Training for Enhanced Resilience in finance) ist eines von mehreren Forschungsprojekten, das Tina Ehrke-Rabel gemeinsam mit einem multidisziplinären Team umsetzt. Rechtswissenschafter*innen, Techniker*innen und Soziolog*innen aus Österreich, Irland, Spanien und dem Vereinigten Königreich forschen gemeinsam an der Entwicklung eines Blockchain-basierten Systems für den Finanzsektor, das die „digitale“ Identität von Bank-Kund*innen prüft und einen sicheren Zugang zu Finanzdienstleistungen ermöglicht. „Ein perfektes Beispiel für Smart Regulation“, so die Forscherin, denn die SOTER-Projektpartner*innen entwickeln einen Mix aus Hard Law- und Soft Law-Instrumenten: Einerseits benötigen Bank-Kund*innen besonderen Schutz (beispielsweise vor Cyberattacken), andererseits existiert für Finanzdienstleister die Verpflichtung, an der Aufdeckung krimineller Handlungen, wie Geldwäsche oder Terrorismus-Finanzierung, mitzuwirken.
Grenzen überwinden
Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit wie im Projekt SOTER gelinge jedoch nur durch erfolgreiche Kommunikation. „Die Verständigung trotz vorgefertigter Definitionssets und das Bewusstmachen unterschiedlicher Ziele sind die größten Herausforderungen des interdisziplinären Arbeitens. Wenn man das bewältigt hat, kann man großartig voneinander profitieren“, weiß Tina Ehrke-Rabel.
Neue Welten
Wenn sich in Zukunft das reale Leben zunehmend in eine virtuelle Welt ohne territoriale Grenzen verlagern sollte, werden klassische Regulierungsinstrumente nicht mehr ausreichen, betont die Uni Graz-Forscherin. „Der Konsum, der einen Großteil des Steueraufkommens ausmacht, wird in ein Metaversum verlegt, in dem wir bislang keine Steuern erheben. Die Grenzen zwischen Spiel und realem Leben verschwimmen und verschwinden vielleicht. Hier wird nicht nur das Recht gefordert sein – das macht auch etwas mit den Menschen“, sagt Tina Ehrke-Rabel, die als Forscherin erneut über Fächergrenzen hinausdenkt.
Zur Person
Univ.-Prof.in Dr.in Tina Ehrke-Rabel, Leiterin des Instituts für Finanzrecht an der Universität Graz. Forschungsschwerpunkte: Digitalisierung und Steuern, Österreichisches und europäisches Umsatzsteuerrecht, Abgabenverfahrensrecht, verfassungsrechtliche Fragen der Besteuerung.
Aktuelle Publikation: Der digitale Avatar auf einer Blockchain: E-Identität, Anonymität und Menschenwürde.
Maria Fanta