Professor Esterbauer, in einem Interview vor vier Jahren zur Zeit von Corona haben Sie gemeint, dass Sie hoffen, dass es aus der Krise heraus zu einer Innovation des Zusammenlebens kommt und wir die Chance nützen werden, aus der Pandemie zu lernen. Sie seien zuversichtlich, dass wir insgesamt bewusster leben werden, individuell und kollektiv. Heute hält uns der Krieg in der Ukraine in Atem. Die wirtschaftliche Lage ist angespannt. Populist:innen und Autokrat:innen sind weltweit auf dem Vormarsch. Die Klimakrise schreitet unaufhaltsam voran. Sind Sie da noch optimistisch oder haben Sie mittlerweile die Hoffnung verloren?
Reinhold Esterbauer: Ich bin nach wie vor hoffnungsvoll. Dabei halte ich mich an ein bekanntes Zitat von Václav Havel, das auf das von Ihnen angesprochene Dilemma Bezug nimmt. Havel war damals noch nicht tschechischer Präsident, sondern saß als Regimekritiker im Gefängnis. Und da sagte er, Hoffnung sei nicht Optimismus. Denn der Optimismus rechne bloß damit, dass alles gut ausgeht, während die Hoffnung die Überzeugung sei, dass etwas Sinn macht – ohne Rücksicht darauf, wie es ausgeht.
Bedeutet das, der: die Optimist:in schiebt alles in die Zukunft? Und wer hofft, orientiert sich vor allem an der Gegenwart?
Esterbauer: Ja, und zwar in der Überzeugung, dass das, was man jetzt tut, nicht nutzlos ist. Das heißt, Hoffnung ist in erster Linie der Glaube daran, dass es nicht vergeblich ist, seinen Beitrag zu leisten. Bin ich optimistisch, gehe ich davon aus, in der Zukunft werde schon alles gut ausgehen. Aufgrund der schwierigen Situation jetzt bin ich heute wohl nicht mehr so optimistisch wie damals, aber deswegen habe ich die Hoffnung nicht verloren. Denn das Schlimmste wäre zu resignieren.
Wie können wir als Gesellschaft mit den multiplen Krisen umgehen?
Esterbauer: Das Wichtigste ist aus meiner Sicht, das Vertrauen in die Demokratie, in ihre Strukturen und Institutionen zu stärken. Das ist derzeit auch eine zentrale Aufgabe der Universitäten. Damit wird die Voraussetzung für anderes geschaffen, wie die Sensibilität für Ökologie, für Gerechtigkeit und Frieden. Dafür müssen wir – wie Havel sagt – hier und jetzt etwas tun und nicht erst irgendwann, wenn die Aussichten besser zu sein scheinen.
In unserem Gespräch vor vier Jahren haben Sie vom anthropologischen Grundprinzip gesprochen, dass der Mensch gut leben möchte. Dieses Prinzip motiviere ihn, sich für ein solches Leben einzusetzen. Sehen Sie dieses Prinzip nach wie vor am Werk?
Esterbauer: Ich glaube nicht, dass wir diesen Wunsch verloren haben. Denn wir möchten ja nach wie vor in Frieden leben und ein gutes Auskommen haben. Wir wollen eine gesunde Umwelt vorfinden. Was sich mit der Pandemie verändert hat, ist, dass wir uns nicht mehr darauf verlassen können, dass die anderen das gute Leben für uns richten. Wir haben erkannt, dass sich das gute Leben halt nicht als reine:r Trittbrettfahrer:in erlangen lässt. Ich muss schon selbst etwas dafür tun, auch etwas zurückgeben und nicht nur darauf schauen, möglichst viel aus dem System herauszuholen.
Ostern steht mit der Auferstehung Jesu Christi für Hoffnung und Zuversicht. Für immer weniger Menschen spielt allerdings der religiöse Aspekt eine Rolle. Können Sie die christliche Bedeutung von Ostern kurz erklären?
Esterbauer: Ostern drückt die Hoffnung aus, dass nicht der Tod, sondern das Leben das letzte Wort hat, trotz allem. Sie ist etwas typisch Religiöses. So teilen etwa Muslim:innen oder Jüdinnen und Juden diese Hoffnung auch. Tod und Auferstehung sind eng miteinander verknüpft, ohne dass das Leid verharmlost würde.