Zukunftstechnologien verändern unseren Alltag. Doch sollte alles, was möglich ist, auch erlaubt sein? „Regulierungsfragen haben immer ein ethisches Fundament“, sagt Reinhold Esterbauer, Philosoph und Theologe am Institut für Philosophie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Graz. Als Smart Regulation-Mitglied der ersten Stunde beschäftigt er sich in verschiedenen Forschungsprojekten mit anthropologischen Grundfragen.
„Etwas problematisieren, was als allzu selbstverständlich gilt“ – das ist laut Reinhold Esterbauer eine der zentralen Aufgaben der Philosophie im Profilbildenden Bereich Smart Regulation. Gesellschaftsrelevante Fragen sollten früh genug diskutiert werden – anstatt sich erst hinterher um Richtlinien zu kümmern. „Ethische Aspekte dürfen nicht erst ins Spiel kommen, wenn Technologien schon da sind. Das sollten wir als Gesellschaft nicht wollen. Darum finde ich Smart Regulation so wichtig“, sagt Esterbauer. Die Grundfrage nach dem Menschen – „Was und wer ist der Mensch?“ – behält der Philosoph dabei immer fest im Blick.
Humanoide Roboter
Im interdisziplinären Smart Regulation-Projekt Trust Me – Vertrauen in humanoide Roboter im Arbeitskontext (Projektleiterin: Bettina Kubicek) forscht Reinhold Esterbauer gemeinsam mit Psycholog*innen zum Vertrauensbegriff bei Mensch-Roboter-Kollaborationen. Auch hier konzentriert sich der Philosoph und Theologe auf die ethischen Grundfragen und das „Menschenbild“ – also jene Vorstellung, die wir vom Menschen haben. „Verändert der Umgang mit Robotern den Menschen? Was bedeutet das Vertrauen in Maschinen für das Vertrauen in andere Menschen? Und soll der Mensch diese Zusammenarbeit mit Robotern überhaupt wollen?“, beschreibt Reinhold Esterbauer jene Fragen, die für die ethische Perspektive im Projekt „Trust Me“ relevant sind.
Das Arbeiten in interdisziplinären Projekten begreift der Uni-Graz-Professor dabei als „Eröffnen eines größeren Horizontes, innerhalb dessen eine Zuordnung verschiedener Sichtweisen möglich ist.“ Essentiell für eine erfolgreiche, überfakultäre Kooperation sei vor allem die Vermittlung von Methoden und Begriffen unterschiedlicher Wissenschaftsbereiche. Denn nur wenn Forscher*innen eine „übergeordnete Brücke“ finden, auf der sich die verschiedenen Disziplinen treffen können, sei Interdisziplinarität möglich.
Artefakte
Während das interdisziplinäre Projekt „Trust Me“ den Roboter als Arbeitskollegen begreift, geht ein anderes Forschungsprojekt Esterbauers einen Schritt weiter, insofern nach der künstlichen Herstellbarkeit des Menschen gefragt wird. Die Untersuchung am Institut für Philosophie an der Katholisch-Theologischen Fakultät befasst sich mit der Philosophie des Leibes und der Integration von künstlichen Produkten in den menschlichen Körper – beispielsweise durch Prothesen. „Wie weit kann man Artefakte in die menschliche Leiblichkeit integrieren? Ist die Integration so weit durchführbar, dass eine Identifizierung mit den Artefakten entstehen kann?“ – diese Problematiken, aber auch die Frage nach dem Bezug von Leib und Schmerz will man im Forschungsprojekt bearbeiten. Die Uni-Graz-Forscher*innen gehen davon aus, dass es im Zusammenhang mit künstlichen Konstrukten einen „Prozess der Einverleibung“ und auch einen der „Ausverleibung“ geben muss.
Künftig will sich Reinhold Esterbauer auch mit den Auswirkungen möglicher Qualitätssprünge in Bezug auf Künstliche Intelligenz beschäftigen (Singularität und Transhumanismus). Ob es in Zukunft Maschinen geben wird, die dem Menschen nicht mehr bloß nützen, sondern ihn möglicherweise beherrschen? – Eine Frage, mit der sich der Philosoph lieber früher als später auseinandersetzt.
Zur Person: Univ.-Prof. DDr. Reinhold Esterbauer, Philosoph und Theologe. Leiter des Instituts für Philosophie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Graz.