Die Suche nach einer klimaneutralen Gasquelle ist eines der dringlichsten Anliegen der Gegenwart. Forscher:innen aus sechs europäischen Staaten und aus Kanada arbeiten an einer neuen Alternative: der Erzeugung von synthetischem Flüssigmethan aus Biomasse. Die Universität Graz steuert Lösungen für rechtliche Fragen sowie für Herausforderungen sozialpsychologischer Art bei. Das EU-Projekt ist mit insgesamt 3,5 Millionen Euro dotiert.
Die Idee ist durch und durch grün: Biomasse bindet CO2 aus der Atmosphäre. Bei der Vergasung von Biomasse wird dieses CO2 wieder frei und zur Methanherstellung verwendet. Ein Teil des benötigten Wasserstoffs entsteht bei der Vergasung, der Rest wird durch Elektrolyse von Wasser aus erneuerbarem Strom erzeugt. Dafür, wie für den gesamten Prozess der Biomassevergasung und anschließenden Synthetisierung von Methan, werden ausschließlich erneuerbare Energiequellen genutzt.
Daher sollte die Erzeugung des klimaneutralen Gases in Ländern wie Island, Chile, Australien und Kanada stattfinden, in denen ein Überschuss an erneuerbarer Energie produziert wird. Synthetisches Methan kann dann in Form von Flüssiggas (LNG – Liquefied Natural Gas) einfach und kostengünstig mit Tankern nach Europa importiert werden und die LNG-Terminals versorgen. Es soll vor allem für die Schifffahrt und den Schwerlastverkehr als grüner Treibstoff zur Verfügung stehen. Daneben kann es aber auch für die Strom- und Wärmeerzeugung sowie in der chemischen Industrie fossiles Gas ersetzen.
Innovation braucht Recht
Um den Weg für eine erfolgreiche Markteinführung zu bereiten, untersuchen Jurist:innen der Universität Graz, welche rechtlichen Hürden dafür noch zu überwinden sind. „Damit das grüne Gas dem Anspruch, klimaneutral zu sein, auch tatsächlich gerecht wird, muss zum Beispiel darauf geachtet werden, dass der Einsatz von Biomasse den EU-Richtlinien entspricht. Deren Vergasung soll in Zukunft nämlich nur dann als nachhaltig gelten, wenn die Biomasse nicht zur Erzeugung von Produkten dienen kann und auch nicht mehr wiederverwendbar oder recyclebar ist“, erklärt Miriam Hofer vom Forschungszentrum für Klimaschutzrecht der Uni Graz „ClimLaw:Graz“. Diese Voraussetzung erfüllen etwa Abfälle aus der Waldbewirtschaftung.
Ein anderes Problem sind die beim Transport von LNG nicht zur Gänze vermeidbaren Methan-Emissionen. „Um sie auf ein Minimum zu beschränken, braucht es rechtliche Vorschriften. Damit die Umsetzung der geplanten neuen EU-Verordnung den bestmöglichen Effekt für den Klimaschutz hat, bringen wir Jurist:innen gemeinsam mit den Techniker:innen unsere Expertise ein“, berichtet Hofer.
Psychologie gefragt
Wie stehen die Menschen zum Einsatz von klimaneutralem Flüssiggas? Welche psychologischen und gesellschaftlichen Hürden gilt es noch zu überwinden, damit die Innovation auch angenommen wird? Forschende der Uni Graz aus dem Bereich Sozialpsychologie untersuchen die Akzeptanz von CO2-neutralem LNG. „Wir führen unter anderem Interviews mit Betreiber:innen von Fahrzeugen und Schiffen und befragen Verbraucher:innen, was sie über den Einsatz von synthetischem Flüssigmethan in der Tourismusbranche und bei Lieferdiensten denken“, erklären Katja Corcoran und Eva Hofmann. Ihre Forschungen führen sie auch aus einer Gender-Perspektive durch. „Wir wollen wissen, inwiefern sich die Einstellungen von Frauen und Männer unterscheiden. Die Ergebnisse sollen zeigen, wo sich Chancen nutzen lassen und wo noch Vorurteilen entgegengewirkt werden muss“, sagen die Sozialpsychologinnen. „Wenn der Einsatz von grünem Flüssiggas von Konsumenten und Konsumentinnen positiv wahrgenommen wird, könnte dies die Einführung dieser grünen Technologie weiter unterstützen.“
Mehr Informationen zum >> EU-Projekt „CarbonNeutralLNG“
Das Projekt ist an der Uni Graz den Profilbereichen Climate Change Graz und Smart Regulation zugeordnet.