„Technologie ist ein soziales Produkt“, sagt Juliane Jarke, neue Professorin für Digital Societies am Business Analytics and Data Science-Center der Universität Graz. Die Expertin für Digitalisierung und Datafizierung von Bildung, Alter(n) und öffentlicher Verwaltung forscht an der Schnittstelle zwischen Gesellschaft und Technologie. In verschiedenen interdisziplinären Forschungsprojekten untersucht sie die Auswirkungen der digitalen Transformation und nutzt dafür Ansätze der Science and Technology Studies (STS) und der Critical Data Studies.
Digitale Zukünfte
Wie können Nutzer*innen digitale Tools nicht nur verwenden, sondern auch mitgestalten? Wer kann mitwirken? Und wie könnte Partizipation gelingen? Die kollektive Gestaltung digitaler Zukunft spielt in Juliane Jarkes Forschungsarbeit eine wichtige Rolle. „Häufig haben dominante Technologiekonzerne eine klare Idee davon, wie unsere digitale Zukunft aussehen wird. Sie dominieren was für uns vorstellbar ist und wünschenswert erscheint. Die Frage ist jedoch, wie Menschen, die von diesen Systemen betroffen sein werden, demokratisch in die Entwicklung miteinbezogen werden können“, so die Uni Graz-Professorin.
Verständnis von Alter(n)
Das Messen der Herzfrequenz, Sensoren zur Sturzerkennung oder eine Erinnerung an die Tabletteneinnahme. Smart Home-Technologien sollen ältere Menschen in ihrem Alltag unterstützen, sammeln aber gleichzeitig zahllose Daten. Verändert sich dadurch unser Verständnis von Alter(n)? „Es gibt bestimmte Altersbilder, die mit digitaler Technologie verknüpft sind. Zum Beispiel rahmen Alterstechnologien ältere Menschen als hilfsbedürftig, während ihre Expertise und Lebenserfahrung in den Hintergrund treten“, erklärt Juliane Jarke. Im Projekt „Techno Futures of Ageing“ untersucht sie in Zusammenarbeit mit der Universität Bristol, wie sich Imaginationen des Alterns und Alterstechnologien wechselseitig beeinflussen.
Prognosen mit Risiko
Digitale Utopien sind auch im Bildungssektor bereits teilweise zur Realität geworden. So genannte Predictive Analytics können bei einer Bewerbung für einen Studienplatz die Wahrscheinlichkeit für einen positiven Uni-Abschluss im Vorhinein berechnen und so über eine Zu- oder Absage (mit)entscheiden. „Die Rollen und Beziehungen der verschiedenen Bildungsakteure verschieben sich enorm – je nachdem wer Zugriff auf die Daten hat“, betont Juliane Jarke. Mit Forscher*innen der Universität Bremen erforscht sie, wie „Risiko“ in diesem Zusammenhang eingeordnet werden kann. Durch welche Daten wird „Risiko“ gerahmt? Wer oder was gilt als „Risiko“? Wer wird durch die Visualisierung der Daten angesprochen? Lehrkräfte, Schüler*innen, die Administration? Die Antworten auf diese Fragen sollen dazu beitragen, die Transformation von Lernen und Lehren besser zu verstehen.
Als neues Mitglied im Profilbereich Smart Regulation sieht Juliane Jarke viele fächerübergreifende Kooperationsmöglichkeiten, zum Beispiel in den Bereichen Business Analytics/Data Science, Philosophie/Ethik oder Rechtswissenschaften. Im Fokus bleibt die Wechselwirkung zwischen Technik und Gesellschaft. Denn Technologie sei immer in soziale Prozesse eingebettet, so Jarke: „Wir leben in soziodigitalen Umfeldern. Technologie ist nie neutral, nie objektiv und nie außerhalb unserer sozialen Welt.“
Zur Person: Univ.-Prof. Dr. Juliane Jarke ist Professorin für Digital Societies an der Universität Graz (Business Analytics and Data Science-Center sowie Institut für Soziologie). Forschungsschwerpunkte: Digitalisierung und Datafizierung von Bildung, Alter(n) und öffentlicher Verwaltung.
Aktuelle Publikation: Hepp, A., Jarke, J., & Kramp, L. (Eds.) (2022). New Perspectives in Critical Data Studies: The Ambivalences of Data Power. Palgrave. → book (open access)