„Gesetzgebung ist für mich smart, wenn sie Menschen tatsächlich hilft“, sagt Psychologin Claudia Vogrincic-Haselbacher. Die Expertin für Sozialpsychologie ist Mitglied einer interdisziplinären Forschungsgruppe, die sich innerhalb des Profilbildenden Bereichs Smart Regulation mit menschlichen Entscheidungen beschäftigt, die durch rechtliche Regeln beeinflusst werden. „Wir untersuchen empirisch, inwieweit Gesetze Menschen entsprechen und ihnen tatsächlich helfen – beispielsweise um bessere Entscheidungen zu treffen,“ so die Uni Graz-Forscherin.
Die Kooperation von Rechtswissenschafter*innen und Psycholog*innen unter der Leitung von Prof. Brigitta Lurger (Institut für Zivilrecht, Ausländisches und Internationales Privatrecht) und Prof. Ursula Athenstaedt (Institut für Psychologie) besteht seit dem Jahr 2014 und hat bereits mehrere, fächerübergreifende Forschungsprojekte erfolgreich umgesetzt. Derzeit steht die Energiewende im Fokus der interdisziplinären Zusammenarbeit.
Nachhaltige Entscheidungen
Die Klimakrise betrifft alle Bereiche der Gesellschaft. Doch wie können einzelne Konsument*innen besser in eine nachhaltige Energienutzung eingebunden werden? Claudia Vogrincic-Haselbacher und ihre Kolleg*innen forschen derzeit zu „sustainable behaviour“ bzw. nachhaltigem Verbraucherverhalten. Die Forschungsgruppe an der Schnittstelle zwischen Recht und Psychologie stellt fest, dass Verbraucher*innen zwar mittlerweile zahlreiche Möglichkeiten haben, um sich aktiv an Energiefragen zu beteiligen, aber aufgrund der vielfältigen Optionen häufig überfordert sind. „Wir gehen davon aus, dass Konsument*innen diese Flut an Möglichkeiten aufgrund verschiedener Faktoren gar nicht nutzen können“, sagt Claudia Vogrincic-Haselbacher. Diese Faktoren sollen in einem geplanten Projekt näher untersucht werden.
Information Overload
Die Psycholog*innen und Rechtswissenschafter*innen der Universität Graz möchten daher wissen, mit welchen Strategien Menschen in einer Situation des „information overload“ unterstützt werden könnten. „Der Gesetzgeber schreibt vor, Konsument*innen zu informieren. Es ist jedoch erwiesen, dass diese Fülle an Informationen häufig gar nicht gelesen werden kann“, sagt Psychologin Vogrincic-Haselbacher.
Vor allem bei Vertragsabschlüssen im Internet stimmen Nutzer*innen Vereinbarungen zu – ohne diese im Detail zu kennen. Fehlentscheidungen können schließlich für Verbraucher*innen verheerende Auswirkungen haben, zum Beispiel bei Überschuldung. Anhand von Mobilfunkverträgen, Online-Shopping und Kapitalanlagen hat die Forschungsgruppe beispielsweise im Projekt CLP (Contract Decisions of Consumers between Law and Psychology) untersucht, wie Menschen auf die Beeinflussung durch rechtliche Regeln reagieren und welche Entscheidungstools (Apps, Tarifrechner, Produktinformationsblätter) helfen, bessere Entscheidungen zu treffen.
100% interdisziplinär
Die an der Universität Graz seit Jahren bewährte - und im Profilbildenden Bereich Smart Regulation mittlerweile fest verankerte - Zusammenarbeit zwischen Rechtswissenschaften und Psychologie betrachtet Claudia Vogrincic-Haselbacher als „Gewinn für beide Seiten“. Die „echte interdisziplinäre Forschung“ werde aber außerhalb der Universität Graz teilweise vor Hürden gestellt, zum Beispiel bei Publikationen in Fachzeitschriften. „Für die Rechtswissenschaften sind wir zu empirisch, für die Psychologie wiederum zu wenig empirisch. Vielleicht müssten neue Zeitschriften etabliert werden, die sich auf diese Interdisziplinarität spezialisieren“, sagt die Uni Graz-Forscherin. Außerdem dauere der Aufbau interdisziplinärer Studien länger. - Zeit, die die Forschungsgruppe trotzdem gerne aufbringt: Claudia Vogrincic-Haselbacher und ihre Kolleg*innen haben jedenfalls schon den nächsten interdisziplinären Projektantrag in der Schublade.
Zur Person: Mag. Dr. Claudia Vogrincic-Haselbacher, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Psychologie der Universität Graz, Forschungsbereich Sozialpsychologie. Mitglied einer interdisziplinären Forschungsgruppe, die 2014 von Prof. Brigitta Lurger (Institut für Zivilrecht, Ausländisches und Internationales Privatrecht) und Prof. Ursula Athenstaedt (Institut für Psychologie) gegründet wurde. Die Forschungsgruppe ist unter anderem Kooperationspartner des EU-Projektes EC2 (Energy Citizenship and Energy Communities for a Clean Energy Transition), das an der Universität Graz von Prof. Katja Corcoran geleitet wird.