Die Business Judgment Rule und der digitale Wandel
Lukas Soritz ist assoziiertes Mitglied des Profilbereichs Smart Regulation und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Unternehmensrecht und Internationales Wirtschaftsrecht sowie am Institut für Unternehmensrechnung und Steuerlehre der Universität Graz.
In seinem Promotionsprojekt beschäftigt sich der Rechtswissenschaftler mit aktienrechtlichen Fragestellungen der Vorstandsverantwortlichkeit in Bezug auf Künstliche Intelligenz.
09.04.2024
Woran forschen Sie in Ihrem Dissertationsprojekt?
LUKAS SORITZ: Man muss sich vorstellen, dass der Vorstand als Leitungsorgan der Aktiengesellschaft aktuell vor der Notwendigkeit steht, sich Fragen des digitalen Wandels zu stellen. Da Sondergesetze insbesondere hinsichtlich des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz noch weitestgehend fehlen, ist diesbezüglich auch die Pflichtenlage des Vorstandes nicht restlos geklärt.
Verletzen Vorstandsmitglieder ihre Obliegenheiten, haften sie für daraus entstandene Schäden gegenüber der Gesellschaft mit ihrem Privatvermögen. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz kann dazu führen, dass Vorstandsmitglieder die ihnen zukommenden Obliegenheiten nicht überblicken können und daher davon absehen, entsprechende Risiken einzugehen. Gleichzeitig kann aber das Eingehen von Risiken aus Sicht von Aktionär:innen, zB zur Steigerung der Rendite, oder auch aus Sicht der Allgemeinheit, zB zur Steigerung von Innovation, wünschenswert sein.
In diesem Zusammenhang forsche ich daran, inwiefern aktienrechtliche Regelungen zur Sorgfalt und Verantwortlichkeit von Vorstandsmitgliedern durch das Aufkommen von Künstlicher Intelligenz beeinflusst werden.
Welche Frage steht im Mittelpunkt Ihres Projektes?
LUKAS SORITZ: Im Mittelpunkt meines Promotionsprojekts steht die Frage, ob durch die Business Judgement Rule (einer der US-Amerikanischen Rechtspraxis entspringenden und mittlerweile im nationalen Recht kodifizierten Regelung) ein Korrektiv zwischen den divergierenden Risikoniveaus der Interessengruppen auch in Bezug auf den Einsatz von Künstlicher Intelligenz geschaffen wird.
Demnach handelt ein Vorstandsmitglied jedenfalls mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters, wenn er sich bei einer unternehmerischen Entscheidung nicht von sachfremden Interessen leiten lässt und auf der Grundlage angemessener Information annehmen darf, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.
Wie beeinflusst Ihre Forschung unseren Alltag?
LUKAS SORITZ: Mein Forschungsprojekt trägt dazu bei, bestehende Regulierungssysteme der Vorstandshaftung auf ihre Bestandskraft zu überprüfen und Lösungswege im Zuge des Aufkommens neuer Technologien aufzuzeigen. Der digitale Wandel und insbesondere das erneute Aufkommen von Künstlicher Intelligenz in einer bislang nicht dagewesenen Intensität zählt mittlerweile weltweit zu den wichtigsten unternehmerischen Einflussgrößen. Eine Erforschung der Entwicklungen von Künstlicher Intelligenz hat daher enorme Bedeutung für Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft.
Abhängig davon, welche Haftungsrisiken Vorstandsmitglieder zu befürchten haben, bemisst sich auch deren Bereitschaft, Risiken einzugehen. Insgesamt können Vorstandsentscheidungen unseren Alltag auf unterschiedlichste Weise beeinflussen. Sei es von der Verfügbarkeit und Qualität von Produkten, bis hin zum Arbeitsmarkt oder in Form von Umweltbelangen.
Zur Person: Mag. Lukas Soritz ist wissenschaftlicher Mitarbeiter von Prof. Dr. Matthias Wendland am Institut für Unternehmensrecht und Internationales Wirtschaftsrecht sowie am Institut für Unternehmensrechnung und Steuerlehre der Universität Graz und forscht als assoziiertes Mitglied im Profilbereich Smart Regulation (Projektbetreuung: Prof. Patrick C. Leyens/Universität Bremen und Prof. Johannes Zollner/Universität Graz). Forschungsschwerpunkte: Recht der Künstlichen Intelligenz; Corporate-Governance-Fragen hinsichtlich Geschlechterquoten in Vorstand und Aufsichtsrat.