Prognosen zur Nachhaltigkeit
Mathematiker und Ökonom Georg Schneider untersucht die Wirkung von Transparenzregeln in der Nachhaltigkeitsberichterstattung.
28.02.2022
Nachhaltigkeit ist berichtenswert: Im Rahmen des Green Deals richtet die EU derzeit die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen neu aus. Doch um empirische Aussagen zur geplanten Regulierung treffen zu können, fehlt weitgehend die Datenbasis.
Ökonom und Mathematiker Georg Schneider entwickelt an der Universität Graz ein theoretisches Fundament, um mögliche Wirkmechanismen von zukünftigen Transparenzregeln aufzeigen zu können.
Kund*innen fordern heute nachhaltiges Wirtschaften und wollen transparent informiert werden. Umweltschutz, Arbeitnehmer*innenbelange, Soziales, Achtung der Menschenrechte oder Bekämpfung der Korruption – diese Informationen liefert eine nicht-finanzielle Erklärung eines Unternehmens.
Zeitenwende
„Im Bereich der Nachhaltigkeitsberichterstattung tut sich momentan sehr viel“, sagt Georg Schneider, Leiter des Instituts für Unternehmensrechnung und Reporting an der Universität Graz. Die EU schlägt nämlich derzeit ein neues Kapitel in der nicht-finanziellen Berichterstattung auf: Eine Anpassung der sogenannten CSR-Richtlinie (Corporate Sustainability Reporting Directive – CSRD) soll für mehr Transparenz über nachhaltige Aspekte sorgen und die unterschiedlichen Verfahrensweisen europaweit vereinheitlichen. Doch wie (viel) sollte Nachhaltigkeitsberichterstattung reguliert werden? Aus Sicht von „Smart Regulation“ stelle sich die Frage, ob eine indirekte Regulierung über Offenlegungspflichten ausreiche, so der Experte.
Unter dem Mikroskop
Was die Neuerungen der EU-Richtlinie im Detail für den Kapitalmarkt und einzelne Stakeholder-Gruppen bedeuten werden, ist aufgrund der fehlenden Datenbasis unklar. Daher entwickelt das neue FWF-Projekt „Non-Financial Reporting: Economics and Real Effects“ rund um Georg Schneider (Leitung), Alfred Wagenhofer, Ralf Ewert und Michael Kopel vom Center for Accounting Research eine theoretische Fundierung für die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen.
Auf Basis einer mathematischen bzw. spieltheoretischen Modellierung werden Wirkmechanismen und auch unbeabsichtigte Wirkungen von Transparenzregeln aufgezeigt, um Entwicklungsverläufe abschätzen zu können: Wie reagieren Investoren und Kapitalmärkte? Wie ändert sich das Verhalten innerhalb der Lieferketten? Und welche Effekte hat die CSR-Berichterstattung auf Innovation? „Wir wollen für zukünftige, empirische Studien testbare Hypothesen erarbeiten. Es lohnt sich – wie mit einem Mikroskop – genauer hinzuschauen“, sagt Georg Schneider.
Nachhaltigkeit durch Digitalisierung
Erweiterte Berichtspflichten, Digitalisierung und externe Prüfung – die überarbeitete CSR-Richtlinie der EU soll zu erhöhter Transparenz führen, gleichzeitig werden interne Informationen offengelegt. Wie soll die Umsetzung gelingen, ohne dass sich Unternehmen selbst schaden? „Nachhaltigkeitsberichterstattung ist multidimensional. Das Tracking der unterschiedlichen Daten wird eine Herausforderung“, erklärt Schneider. „Digitalisierung und Nachhaltigkeit hängen jedenfalls stark zusammen.“ Als essentiell erachtet er die Nutzung neuer Technologien, wie beispielsweise Blockchain.
Third Mission
Die Nachhaltigkeitsberichterstattung steht vor großen Herausforderungen. Für den Uni Graz-Professor ist diese Neugestaltung eine „tolle Zeit, in der man sich als Forscher aktiv einbringen kann“. Georg Schneider, der zweimal sub auspiciis praesidentis promoviert und bereits im Alter von 27 Jahren als BWL-Professor gelehrt hat, ist aber nicht nur an der Universität Graz tätig, sondern auch Mitglied verschiedener Arbeitskreise – beispielsweise im Austrian Financial Reporting and Auditing Committee (AFRAC) oder der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft. Das „Lieblingsthema“ des Forschers bleibt aber vorerst die Nachhaltigkeit – eine Aufgabe, die Gesellschaft und Wissenschaft „noch länger beschäftigen wird“.
Zur Person: Univ.-Prof. Dr. Dr. Georg Schneider, Leiter des Instituts für Unternehmensrechnung und Reporting der Universität Graz sowie Leiter der Spezialisierung (SBWL) Financial Reporting. Forschungsschwerpunkte: Nachhaltigkeitsberichterstattung, Digitalisierung und Reporting, Internationale Rechnungslegungsstandards, Corporate Governance und Accounting.
Maria Fanta